Die kurbrandenburgischen Dragoner im Zweiten Nordischen Krieg 1655 bis 1660/61

„Dragoner sind halb Mensch halb Vieh, zu Pferd gesetzte Infanterie“, diese herablassende „Kavallerie-Weisheit“, die sich selbst dann noch hartnäckig hielt, als sich die Dragoner in späterer Zeit kaum noch von den „Regimentern zu Pferde“ unterschieden, hatte in der Mitte des 17. Jahrhunderts noch ihre volle Berechtigung. Auf Märschen, Erkundungen und vorgeschobenen Posten waren sie beritten, kam es jedoch zum Gefecht, saßen sie ab und feuerten in geschlossener dreigliedriger Formation, wobei das erste Glied niederkniete. Gelegentlich wurden auch Musketiere beritten gemacht und als Dragoner verwendet.

Generell waren die Dragoner in den Heeren der damaligen Zeit nicht sehr zahlreich. Dass sie im Nordischen Krieg (nicht zu verwechseln mit dem Großen Nordischen Krieg 1700-1721) bei der brandenburgischen Armee in ungewöhnlicher Menge vertreten waren, hatte seine Ursache hauptsächlich darin, dass im Herzogtum Preußen eine Vielzahl von billigen kleineren Pferden vorhanden war, mit denen ein großer Teil der Infanteristen beritten gemacht werden konnte. Auch die weiträumige Ausdehnung des Kriegsschauplatzes und die Mobilität der mit dem polnischen Gegner verbündeten Tataren machte eine zahlreiche berittene Infanterie sehr nützlich.

 

Frühe Kurbrandenburgische Leibgarde Dragoner, im Schritt (1655), Zinnfiguren (30 mm–Größe) von Dieter Schulz, Gravur Hans G. Lecke, Foto und Sammlung des Autors, 24 Figuren, noch unbemalt.

 

Da es in der frühen Regierungszeit des Großen Kurfürsten noch kein „Stehendes Heer“ gab, wurden die Dragoner, wie auch ggf. andere Einheiten der Kavallerie und Infanterie, erst vor Ausbruch von Kriegen in größeren Verbänden durch Werbung und Aushebung aufgestellt und nach Beendigung der Konflikte und entsprechendem Friedensvertrag in sog. „Reduktionen“ durch Auflösung von Kompanien oder ganzen Regimentern wieder entlassen. Dies hatte seine Ursache hauptsächlich darin, dass den Landständen das Steuerbewilligungsrecht zustand und sie damit den größten Anteil an der Finanzierung der Armee tragen mussten. Mühsam gestalteten sich daher die Verhandlungen zur Steuerbewilligung auf den jährlichen Landtagen, und dem Kurfürsten blieb häufig nichts anderes übrig, als die Truppen in Friedenszeiten abzudanken. Die Bildung eines Stehenden Heeres war damit sehr erschwert. Doch gab es auch schon gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges brandenburgische Dragoner. 1646 errichtete der Kurfürst Friedrich Wilhelm die „Leibguardie Dragoner“ aus 200 Kommandierten der drei brandenburgischen Fußregimenter unter dem Kapitainleutnant Jobst Sigismund v. Götzen; 1651 tritt die Mannschaft jedoch wieder in ihre Stammregimenter zurück und gibt die Pferde an die Ämter der Mark Brandenburg ab.

Allerdings versuchte man auch, die abgedankten Soldaten im Lande zu halten, indem man ihnen die im Laufe des Dreißigjährigen Krieges verwaisten Hofstellen zur Bewirtschaftung als Siedler anbot und ihnen zusätzlich auch weitere Vergünstigungen und Hilfen einräumte. Hierbei bestand aber die Erwartung, dass diese Siedler im Kriegsfall wieder als Soldat zur Verfügung stehen würden, um nun auch im eigenen Interesse Familie und Besitz zu verteidigen.

Kurbrandenburgische Dragoner Leibguardie 1646 (Bild: R. Knötel)

 

 

 

 

 

 

 

Großes Wappen von Kur Brandenburg mit aufgelegtem Herzschild (das Reichszepter von Kurbrandenburg)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Formationsgeschichte

Bei Ausbruch des Zweiten Nordischen Krieges wurden 1655 auch Dragoner-Formationen durch Kurbrandenburg aufgestellt, nämlich:
– Kompanie Leibgarde-Dragoner, errichtet mit eigenen Mitteln durch den Hauptmann Jacob v. Finck und vom Kurfürsten als Auszeichnung Fincks zu Garderang erhoben, 1656 dann 1 Primaplana, 200 Dragoner;

– Regiment des Obersten Friedrich v. Schlieben, 8 Kompanien, seit 1656 umgewandelt in ein Regiment z. Fuß für den Oberst Georg v. Ritterforth und somit als Dragoner ausgeschieden;

– Eskadron des Obersten Christian Ludwig v. Kalckstein, 4 Kompanien, 1656 5 Primaplanen, 500 Dragoner;

– Eskadron des Obersten Elias v. Kanitz, 4 Kompanien der preußischen Ämter (Dienstpflichtige), 1656 4 Primaplanen, 400 Dragoner.

Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit dem Kriegseintritt Brandenburg/Preußens 1656 weitere Dragonereinheiten formiert:
– Regiment des Generalleutnants Georg Friedrich Graf zu Waldeck, zunächst 5 Primaplanen, 555
Dragoner; später formiert in 8 Kompanien;
– Eskadron des Obersten v. Halle, 3 Primaplanen, 300 Dragoner;
– Eskadron des Oberstleutnants Hans Georg v. Auer, 3 Primaplanen, 300 Dragoner;
– Kompanie des Generalmajors Christoph v. Kannenberg, 1 Primaplana, 100 Dragoner;
– Kompanie des Obersten Georg Heinrich v. Wallenrodt, 1 Primaplana, 100 Dragoner.

Zum Jahresschluss 1656 wird noch das Regiment Dragoner des Generalfeldzeugmeisters Otto Christoph v. Sparr aus „litauischen Wibranzen“ (Milizen aus den Ämtern Ostpreußens) mit 7 Kompanien errichtet, wozu die vorgenannte „Eskadron Auer“ stößt.

 

1657 entsteht ein neues „Leibregiment Dragoner“ zu 5 Kompanien unter Oberstleutnant Kaspar v. Hohendorff, wozu die in Preußen verbliebenen 4 Kompanien Waldecksche Dragoner verwendet werden und 1 Kompanie neu geworben wird. Dem Sparr’schen Dragonerregiment wird die bisherige „Kompanie Leibgarde Dragoner“ einverleibt, die Kompanien der Eskadron Auer werden wieder selbständig und scheiden aus dem Regiment aus. In Preußen wird das „Regiment des Statthalters“ zu 4 Kompanien mit 300 Dragonern in brandenburgischen Dienst übernommen.

1658 gehen die übrigen 4 Kompanien Waldecksche Dragoner im Westen nach dem Ausscheiden Graf Waldecks auf den Generalleutnant Derfflinger über und werden so zur Eskadron Derfflinger, ebenfalls 1658 wird das Leibregiment Dragoner auf 6 Kompanien verstärkt und eine Freikompanie Dragoner durch Generalmajor Joachim Ernst v. Görtzke neu errichtet.

1659 hatte die brandenburgische Armee im Herzogtum Preußen folgende Dragonereinheiten:

Leibregiment, 6 Kompanien, 480 Dragoner,

Regiment des Statthalters, 5 Kompanien, 300 Dragoner,

Kompanie des Generalmajors v. Görtzke, 100 Dragoner,

Kompanie des Oberst v. Schönaich, 100 Dragoner,

Kompanie des Oberst v. Halle, 100 Dragoner,

Kompanie des Oberst v. d. Goltz, 100 Dragoner,

2 Kompanien des Oberst v. Auer, 200 Dragoner,

zusammen 1.380 Dragoner.

Die Reduktion nach dem Frieden von Oliva belässt 1661/63 nur noch folgende Dragonerformationen im brandenburgischen Dienst:

– Eskadron Dragoner des Generalfeldzeugmeisters Derfflinger, 3 Kompanien, 300 Dragoner, in der Grafschaft Ravensberg;

– Eskadron des Statthalters (Radzivill), 3 Kompanien, 300 Dragoner, in Preußen;

– Freikompanie des Generalmajors v. Görtzke, 100 Dragoner, in Preußen.

 

Einsatz der Dragoner

 

Nachdem sich Kurfürst Friedrich Wilhelm am 17. Januar 1656 im Vertrag von Königsberg gegenüber den Schweden zwar zur Neutralität, nicht aber zur Mitwirkung am Krieg gegen Polen verpflichtet hatte, wurde am 23. Juni 1656 in Marienburg ein neuer Vertrag zwischen Schweden und Brandenburg geschlossen. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Kurfürst mit seiner ganzen Macht als freier Bundesgenosse dem König von Schweden Hilfe zu leisten. Trotz der bedeutenden Überzahl der Polen und der verbündeten Tataren errangen die Schweden und Brandenburger zwischen dem 28. und 30. Juli den großen Sieg in der Schlacht von Warschau. An dieser Schlacht waren rund 1.000 Dragoner folgender brandenburgischer Einheiten beteiligt:

4 Kompanien Regiment Waldeck, 3 Kompanien Eskadron Kanitz und 3 Kompanien Eskadron Kalckstein, zusammen 10 Kompanien. In der am 2. Tag stattfindenden Reiterschlacht unterstützten die abgesessenen Dragoner in kleinen, in die Zwischenräume der Schlachtordnung eingeschobenen Trupps den brandenburgischen Kavallerieflügel des ersten Treffens durch ihr Feuer.

Die brandenburgische Armee im Herzogtum Preußen war durch die Verstärkung ihrer Kavallerie, die sie durch zusätzliche brandenburgische Truppen unter Derfflinger und Spaen zwischenzeitlich aus dem Westen erhalten hatte, erheblich angewachsen. Zum Jahresende 1656 bestanden die Dragoner aus 6 Einheiten mit insgesamt 23 Kompanien.

 

Im März 1657 unternahm der schwedische König noch einen letzten Feldzug, um Polen zu einem Frieden nach seinen Wünschen zu zwingen. Hieran nahm nur ein brandenburgisches Hilfskorps unter Befehl des Grafen zu Waldeck teil, welches neben 1.200 Reitern auch aus folgenden Dragonern bestand: Rgt. Waldeck 400 Dragoner, Esk. Kanitz 300 Dragoner, zusätzlich 300 Kommandierte der Infanterie, die beritten gemacht wurden. Das Korps kehrte schon im Juni zurück, da das Unternehmen erfolglos war und vom schwedischen König aufgegeben wurde. Für die Brandenburger verliefen die folgenden Monate ohne größere Einsätze und am 19. September schloss der Kurfürst mit Polen einen Waffenstillstand ab, welcher am 6. November zu einem förmlichen Friedensvertrag führte. Da die Änderung der politischen Verhältnisse sich schon im August abgezeichnet hatten und damit ein weiteres Verbleiben des schwedenfreundlichen Grafen zu Waldeck beim Heer erschwerten, übertrug der Kurfürst diesem am 28. August als General über die Kavallerie das „Obergouvernement über die westfälischen festen Plätze“. Dem Grafen folgten sein Reiterregiment und 4 Kompanien seiner Dragoner nach dem Westen. Sie hatten auf diesem Weg am 2. September ein verlustreiches Gefecht mit polnischen Ausfalltruppen aus Danzig. Als Graf Waldeck dann im Mai 1658 ganz aus dem brandenburgischen Dienst ausschied, erhielt Generalleutnant Derfflinger diese ehemals Waldeckschen Dragoner.

 

Der Kurfürst hatte 1658 ein gegen Schweden gerichtetes Bündnis mit dem Kaiser und Polen abgeschlossen. Zum Feldzug in Schleswig-Holstein stellte er zum verbündeten Heer, über welches er den Oberbefehl führte, unter anderem an Dragonern 6 Kompanien Regiment Feldmarschall Sparr, 4 Kompanien Regiment Derfflinger und 4 Kompanien Regiment Kanitz, zusammen 14 Kompanien mit insgesamt 1.400 Dragonern Sollstärke.

Die verbündete Armee hatte 1658 ohne große Mühe in Holstein die schwachen schwedischen Streitkräfte vertrieben und sich im Dezember bei dem Übergang auf die Insel Alsen auch des Schlosses Sonderburg bemächtigt. Auf dem Festland hielt sich nur noch die kleine Festung Fredriksodde (Fredericia), die erst im Mai 1659 eingenommen werden konnte.

 

Nachdem 1659 der Übergang nach Fünen unter schweren Verlusten zunächst gescheitert war, führte der Kurfürst den größten Teil des verbündeten Heeres durch Mecklenburg nach Schwedisch-Pommern. Hierunter waren 8 Kompanien Dragonerregiment Sparr und 4 Kompanien Dragonerregiment Derfflinger. In Schleswig-Holstein waren die Kanitz-Dragoner bei demjenigen Armeeteil der Verbündeten zurück geblieben, welchem im Spätherbst in Verbindung mit einer niederländischen Flotte schließlich der Übergang nach Fünen gelang, worauf im Gefecht von Nyborg die schwedischen Truppen letztendlich vernichtend geschlagen wurden. In Schwedisch-Pommern eroberten die Brandenburger zusammen mit den Kaiserlichen zunächst Greifenhagen, dann am 7. September Damm und belagerten im Anschluss daran Stettin. Die Schweden unter General Paul Würtz leisteten jedoch derart heftigen Widerstand, dass die Belagerung am 16. November aufgegeben werden musste.

 

Der Krieg fand dann am 3. Mai 1660 durch den Frieden von Oliva sein Ende. Brandenburg musste sich aus den besetzten schwedischen Gebieten in Pommern, Holstein und Schleswig zurückziehen, erlangte aber gleichzeitig die endgültige Souveränität über das Herzogtum Preußen.

 

Bekleidung und Ausrüstung

 

Die brandenburgischen Dragoner unterschieden sich um 1655 in ihrem Äußeren nicht wesentlich von den Dragonern aus den letzten Kriegsjahren des 30-jährigen Krieges. Die Offiziere führten auch zu Pferde noch ihr Sponton, die Unteroffiziere ihr Kurzgewehr in Form einer Hellebarde. Beide Chargen schmückten auch ihre Hüte noch mit Federbüschen, im Übrigen kleideten sich die Offiziere weiterhin nach eigenem Geschmack und Geldbeutel. Das zweizipfelige Guidon wurde von den Dragonern zwar überwiegend als Feldzeichen geführt, war aber wohl noch nicht obligatorisch, so dass auch Fahnen wie bei der Infanterie vorkamen. Diese Feldzeichen wurden im Gefecht gegen den Feind vom Fähnrich (Offizier) geführt, sonst vom Gefreitenkorporal (Unteroffizier). Die Gemeinen waren im allgemeinen wie die zeitgleichen Musketiere bekleidet, trugen also je nach Regiment graue, braune oder schwarze breitrandige Hüte ohne Bordierung und Federschmuck, in der Regel blaue Röcke mit meist gleichfarbigen Aufschlägen (Leibregiment aber weiße Aufschläge) sowie blaue Mäntel, meist als Mantelrolle hinter dem Sattel aufgeschnallt, dazu Lederhosen oder blaue Tuchhosen und statt der Schuhe hellbraune Stulpenstiefel.

Zinnfiguren von Dieter Schulz, später Zinnstübel Lebusa (Schulz-Donner), heute Offizin H. G. Schum, Fassung: Michael Behring, Fotos aus der Sammlung des Autors, (gilt auch für die weiteren Fotos)

 

Das kurze lederfarbene Wams blieb wie bei den Musketieren noch lange in Gebrauch, wurde im Feld bei gutem Wetter auch allein, sonst wie üblich unter dem Rock getragen.

Leiddragoner

Wann das Wams endgültig durch das Kamisol (Ärmelweste) ersetzt wurde, ist nicht belegt, es handelt sich vermutlich bei den verschiedenen Regimentern um einen fließenden Übergang in späteren Jahren.

Pfeifer

 

Trommler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pfeifer waren bei den Dragonern im Gegensatz zu den Trommlern nicht mehr etatmäßig, sind aber teilweise wohl vom Regimentsinhaber auf eigene Kosten unterhalten worden, zumal sie bei den Regimentern zu Fuß auch noch etatmäßig waren. Die Spielleute hatten Besatzborten auf dem Rock einschließlich Querborten auf den Ärmeln. Ihre Halstücher waren für die Leibdragoner nach Knötel rot, während sie für die Dragoner schwarz waren (für die Offiziere weiß).
Statt der gewöhnlichen Muskete führten die Dragoner eine leichtere „Dragonermuskete“, die einen Riemen zum Umhängen hatte, den die Infanteriemuskete noch nicht aufwies. Anstelle der Patronenbandeliers mit Pulvermaßen hatten sie helllederne Patronentaschen, die aber auch noch nicht an einem Bandelier über die Schulter gehängt, sondern am Gürtel getragen oder am Sattel befestigt wurden. Häufig führten die Dragoner bei entsprechenden Einsätzen auch Schanzzeug am Pferd mit.

Oberst
Offizier und Unteroffizier

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen:

Jany, Curt, „Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914“, Erster Band, 2. Auflage, Osnabrück 1967;

Bleckwenn, Hans, „Unter dem Preußen-Adler“, München 1978

Bilder nach Originalzeichnungen von R. Knötel aus:
H. R. Freiherr v. Zedlitz und Neukirch, „Geschichte des Königl. Preußischen Leib-Kürassier-Regiments Großer Kurfürst (Schlesisches) Nr. 1“, Berlin 1905;

Seite „Zweiter Nordischer Krieg“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. Dezember 2020, 18:23 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zweiter_Nordischer_Krieg&oldid=206297435 (Abgerufen: 6. Januar 2021, 14:50 UTC);

Abbildungen: Georg Ortenburg, Rolf Noeske, Rüdiger Hafer, „Die altpreußischen Uniformen bis zum Jahre 1753“

 

Artikel: G. Stenvers