Der Große Brand von 1842 in Hamburg

Dieser Aufsatz basiert auf einen Vortrag, den ich vor Jahren einmal vor der Landesgruppe Schleswig-Holstein der Klio gehalten hatte. Anlässlich der zur Zeit laufenden Sonderausstellung im Zinnfigurenmuseum Goslar „112 Feuerwehr und Rettungswesen“ habe ich ihn nun erstmals veröffentlicht. In dieser Ausstellung zeigt ein Diorama den Hamburger Brand.

 

Hamburg in der Biedermeierzeit:

 

Um 1842 hatte Hamburg ca. 120.000 Einwohner, ca. 23.000 davon wohnten in den Vorstädten St. Georg und St. Pauli. Überall herrschten sehr enge Wohnverhältnisse, da sich die Stadt nicht weiter ausdehnen konnte. Außerhalb der Wallanlagen durfte nicht gesiedelt werden. An den Stadttoren wurden Zoll- und Personenkontrollen durchgeführt, der Zoll brachte der Stadt Einnahmen. Total veraltet waren die Wasserversorgung und die Abfallbeseitigung. Wie man erst später erkannte, war das der Grund für die wiederholten Cholera-Ausbrüche während dieser Zeit. Diese hatten allerdings nicht in das Ausmaß der letzten großen Cholera-Epidemie von 1892, bei deren Bekämpfung sich übrigens ein Berliner Arzt namens Robert Koch besonders hervortat. Im Februar 1825 wurden viele Häuser durch eine verheerende Sturmflut beschädigt. Trotz der Enge kam es aber im wohlhabenden Hamburg zu einer Bebauung mit repräsentativen Gebäuden, zuletzt im Dezember 1841 war die Neue Börse fertiggestellt worden. Verbessert und modernisiert wurden auch die Verkehrsanbindungen. Im Jahre 1839 wurde die Pferdeomnibuslinie zwischen Hamburg und dem damals dänischen Altona eröffnet. Am 07. Mai 1842, drei Tage nach Ausbruch des Großen Brands, sollte die Eisenbahnlinie Hamburg-Bergedorf mit späterer Weiterführung nach Berlin in Betrieb genommen werden.

 

Der Brand bricht aus

In der Nacht vom 04. auf den 05. Mai gegen 1:00 Uhr brach in einem Haus in der Deichstraße, in der Altstadt parallel zum Rödingsmarkt gelegen, ein Feuer aus. Die Ursache ist unbekannt. Die Rufe der Nachtwächter, Signalschüsse der Wachen und die Sturmglocken riefen die Feuerwehr herbei, aber das Feuer breitete sich sehr schnell aus. Es wurde begünstigt durch

 

  • brennbares Material in den benachbarten Speichern
  • das trockene Wetter der letzten Wochen
  • das Baumaterial der Häuser (Holz, Fachwerk)

In Hamburg gab es insgesamt 1150 freiwillige Feuerwehrleute, die sogenannten Wittkittels, so genannt nach ihren aus weißen Leinen gefertigten Mänteln.  Die weißen breitkrempigen Hüte waren aus dem gleichen Material, die braunen Kappen hatten sie aus alten Feuerwehrschläuchen selbst gefertigt. Sie standen unter dem Kommando eines hauptamtlichen Hauptspritzenmeisters. Die technische Ausstattung entsprach dem damaligen Stand der Technik und bestand aus 34 Land- und 11 auf Booten installierten Schiffsspritzen, diese wurden sämtlich per Muskelkraft betrieben mit Handpumpen. Die Feuerwehr unterstand der Hamburger Feuerkasse (Brandversicherung) und der Stadt gemeinsam, was bei der Bekämpfung des Brandes später zu Organisationsproblemen führen sollte. Die Spritzenmeister baten den herbeigeholten Polizeisenator morgens gegen 5 Uhr, als das Feuer über den Deichstraßenfleet sprang, Häuser sprengen zu dürfen, um so die Ausbreitung zu verhindern. Diese dringende Bitte verweigerte er aus Angst vor Regressansprüchen der Besitzer. So breitete sich das Feuer weiter aus, trotz Einsatz der Wasserspritzen. Mittags am 05. Mai, am Himmelfahrtstag brannte die Nikolaikirche, gegen 13 Uhr hatten die Flammen den Kirchturm erreicht, gegen Mittag hatte dort sogar noch eine Predigt stattgefunden. Um 17.30 Uhr brach der Turm dann im Feuer zusammen. Dieses dramatische Schauspiel  wurde später von vielen Künstlern gemalt. Am gleichen Abend wurden dann doch noch erste Haussprengungen durchgeführt, das blieb dann aber erfolglos. Am Morgen des 6. Mai musste auch das Rathaus gesprengt werden. Dieses war bis dahin Sitz eines Krisenstabs, bestehend aus dem Bürgermeister und den acht jüngsten Ratsherren. Erschwerend zur Brandbekämpfung kam hinzu, dass viele Bewohner der Häuser flüchteten, ohne den Löschmannschaften zu helfen. Durch den 1837 eingerichteten optischen Telegraphen wurden daher Feuerwehren aus der näheren Umgebung sowie aus Kiel, Lübeck und Lüneburg herangerufen.

Seit dem Morgen des 6. Mai kam es zu Plünderungen, ganze Banden drangen in die leerstehenden oder noch bewohnten Häuser ein, wo sie die Einwohner vertrieben, indem sie sich als Sprengkommandos ausgaben. Sogar Boote und Fuhrwerke wurden gestohlen, teilweise wurden diese gerade von den fliehenden Bürgern beladen. Auch Saufgelage von Bürgern, Feuerwehrleuten und Bürgerwehrleuten mit gestohlenem Alkohol kamen vor. Die Hamburger Bürgerwehr bildete das damalige Militär der Hansestadt. Das Feuer breitete sich immer mehr aus, nur die Neue Börse konnte von zehn mutigen Männern, die dort eingeschlossen waren, gerettet werden. Wie ein Denkmal  ragte das unversehrte Gebäude später aus den umliegenden Häusertrümmern empor. Das Feuer lief dann weiter Richtung Jungfernstieg, wo es die Häuser der Wohlhabenden erreichte. Gestapelter Hausrat musste dort in die Alster geworfen werden, um Platz für die vielen Flüchtlinge zu schaffen. Es kam zu weiteren Sprengungen, gleichzeitig wurde weiter geplündert und sinnlos zerstört.

Am Abend des 6. Mai brannte dann der Turm der Petri-Kirche, ähnlich spektakulär wie bei der Nikolaikirche am Vortag. Am 7. Mai wurde dann die Gertrudenkapelle aus dem 14. Jahrhundert zerstört. Erst dann in der darauf folgenden Nacht wurde der Brand durch die Wallanlagen am Glockengießerwall aufgehalten, auch weil der Wind nachließ. Die Straße, wo er endete, wurde später Brandsende genannt.

 

Folgen des Brands

 

51 Menschen starben, 130 wurden verletzt, darunter Feuerwehrleute und Soldaten, auch aus anderen deutschen Ländern, die zur Hilfe gekommen waren.  Ca. 20.000 Menschen wurden obdachlos und mussten in sogenannten Notbuden untergebracht werden, die sogenannten Budenstädte entstanden, z. B. auf dem Heiligengeistfeld.

In 80 Stunden hatte das Feuer 70 Straßen  mit 1750 Häusern und 100 Speichern vernichtet. Viele historische Gebäude waren dabei, wie die Bank, der Kran, die Alte Börse, das Rathaus, zwei Synagogen und drei Kirchen, wie oben bereits erwähnt. Auch gingen Teile des Stadtarchivs in Flammen auf. Ruhe und Ordnung konnten erst um den 11. Mai herum wiederhergestellt werden. Bereits am 07. Mai, d. h. zwei Tage nach dem Brand, musste eine Bürgerpolizei zur Unterstützung des Hamburger Bürgermilitärs gegründet werden. Allerdings mussten noch auswärtige Truppen hergebeten werden. Diese wurden dann später auch zu den Aufräumarbeiten herangezogen.

 

Wiederaufbau und weitere Entwicklung

 

10 große Versicherungsgesellschaften wurden in Anspruch genommen. Drei gingen dadurch konkurs. Der finanzielle Schaden wurde mit 38 Mio Courant-Mark angesetzt (360 Mio Euro). Viele deutsche Staaten schickten neben Soldaten, Feuerwehrleuten und Lebensmittel auch Geld.

Da das alles aber nicht ausreichte, wurde eine Staatsanleihe aufgenommen, die erst 1888 abbezahlt werden konnte. Ein Ausspruch wurde zum Programm für den Neuanfang: „Alle Fesseln mit versengt.“ Bereits vor dem Brand waren die Festungsanlagen und alte Gebäude wie der Hamburger Dom abgerissen worden. Jetzt bot sich die Chance, großzügig neu zu bauen. Dafür wurde eine technische  Kommission mit Experten wie Gottfried Semper („Semper-Oper Dresden“) eingesetzt. Bereits 1843 kam die erste Schwemmkanalisation Deutschlands. Ferner wurden eine Zentrale Wasserversorgung, eine gasbetriebene Straßenbeleuchtung und die Markthallen zur Lebensmittelversorgung gebaut. In der neuen Innenstadt konzentrierten sich dann die öffentlichen Bauten und attraktive Wohnanlagen. Das neue Rathaus wurde aber trotzdem erst 1897 eröffnet. Die ärmere Bevölkerung wurde in die Vorstädte und das enge Gängeviertel gedrängt. 1883 wurde die Speicherstadt gebaut, so dass 24.000 Menschen umgesiedelt werden mussten.

Im Gängeviertel  brach 1892 aufgrund der hygienischen Verhältnisse erneut die Cholera aus (s. o.), so dass dieses dann ebenfalls baulich saniert werden musste.

 

Darstellung mit Zinnfiguren

 

Die Klio Hamburg hatte zu dem Thema eine größere 30 mm-Serie herausgegeben. Diese war danach jahrelang bei der Offizin Golberg und ist jetzt bei Herrn Wilfried Dangelmeier erhältlich. Sie besteht aus den Wittkitteln, dem Bürgermilitär sowie verschiedenen Typen, die Flüchtlinge, Helfer und auch Plünderer darstellen. Als Ergänzung hatte ich einige Figuren von Münchow dazugesellt, die von den Berliner Zinnfiguren herausgegeben werden. Die Fotos zum Aufsatz habe ich von meiner privaten Aufstellung gemacht, in Goslar sind die Figuren anders aufgestellt.

 

Empfohlene Literatur:

Museum für Hamburgische Geschichte: Es brannte an allen Ecken zugleich Hamburg 1842 (Ausstellungskatalog des Museums für Hamburgische Geschichte)

Eric Verg/Martin Verg: Das Abenteuer, das Hamburg heißt (Bildband, interessanter und kurzweiliger Überblick über die Geschichte Hamburgs)

 

Links:

https://www.zinnfigurenmuseum-goslar.de/

https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/1842-Der-Grosse-Brand-wuetet-in-Hamburg,grosserbrand101.html

https://www.hamburg.de/geschichte/4624218/hamburg-brand/

Text/Photos/Figuren: R. EHlers-Maaßen