Errichtung, Stärken und Führung
Wenn es auch schon ursprünglich im 17. Jahrhundert in den deutschen Staaten Grenadiere für den Kampf mit Handgranaten nach französischem Vorbild gab, die in die jeweiligen Kompanien der Infanterieregimenter integriert waren, so sind doch die ersten eigenständigen Grenadierbataillone und Grenadierregimenter erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts errichtet worden.
So ergibt sich die Gründung des „Regiments z. F. Grenadiere“ der Landgrafschaft Hessen-Kassel auch erst im Jahr 1697, als dieses aus der Grenadierkompanie des Leibregiments und vier Kompanien anderer Regimenter zunächst in Bataillonsstärke mit 5 Kompanien gebildet wurde. 1699 wird seine Soll-Stärke mit 450 Mann angegeben, im Juni 1701 seine Ist-Stärke mit 371 Mann. Dass die Landgrafschaft Hessen-Kassel nach dem 30-jährigen Krieg zunehmend über ein eigenes Stehendes Heer verfügte, verdankt sie dem Landgrafen Carl (1654 – 1730), der seit seinem Regierungsantritt 1670 (noch unter Vormundschaft seiner Mutter) den Aufbau eines Stehenden Heeres in seiner gesamten Regierungszeit erfolgreich betrieb.
1701/02 bei Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges wird das Regiment neu formiert aus 5 Kompanien des Leibregiments und 5 Kompanien anderer Regimenter und heißt nun „Grenadier-Regiment“ (1760: II. Garde) mit 2 Bataillonen zu insgesamt 10 Kompanien. Es hat eine Ist-Stärke von 846 Mann und steht ab 1702 als Truppe im Dienst des Kaisers, später unter dem Erbprinzen Friedrich von Hessen-Kassel bei einem Armeeteil der Kaiserlichen und bis zum Kriegsschluss bei der Kaiserlichen Armee unter Prinz Eugen. Vor 1727 gab es keinen offiziellen Regimentschef, erst in diesem Jahr nimmt Prinz Wilhelm (später Landgraf Wilhelm VIII.) diese Position ein. Als Kommandeure bzw. Kommandeure en Chef werden für den früheren Zeitraum folgende Offiziere genannt: 1697 Major v. Geyso, 1698 Oberstleutnant de la Roche, 1701 Generalmajor Albrecht v. Tettau, gefallen 1703 im Gefecht am Speyerbach, 1703 Oberst (später Generalmajor) Samuel de la Roche (1714 verstorben).
Einsätze
Noch 1702 nimmt das Regiment an den Belagerungen von Kaiserswerth und Rheinfels teil und bezieht später die Winterquartiere 1702/1703 in Rheinfels und Neuwied. 1703 erfolgt dann zunächst die Einnahme von Trarbach, danach die Teilnahme an den Belagerungen von Bonn (3.-19. Mai), Limburg (19.-27. September) und Stevenswerth (25. Sept.-2. Oktober). Im März 1703 war die Stärke leicht auf 830 Mann bei einer Soll-Stärke von 880 Mann gesunken. Allerdings verminderte sich die Stärke nochmals allein während der Belagerung von Bonn um Verluste von 26 Mann einschließlich Offizieren und dann erheblich durch die hohen Verluste am 15. November 1703 bei dem Gefecht am Speyerbach. Im September soll die Stärke noch 790 Mann betragen haben, war dann aber bis zum 15. November auf eine Gesamtstärke von 775 Mann geschrumpft. Die Verluste des Regiments im Gefecht am Speyerbach werden wie folgt angegeben: Von den Offizieren seien 15 gefallen, 1 verwundet und 6 in Kriegsgefangenschaft geraten; von den Unteroffizieren und Grenadieren wären 389 gefallen, verwundet oder vermisst und 66 in Kriegsgefangenschaft geraten; damit ergäbe sich ein Gesamtverlust mit 477 Mann. Ende November im Lager von Notre Dame wird die Iststärke mit 517 Mann festgestellt, selbst wenn darin auch die Kommandierten und Kranken, die nicht in der Schlacht waren, und Rückkehrer, nicht mehr Vermisste sowie leicht Verwundete darin enthalten sind, sind diese Verlustangaben nicht plausibel. Dazu gibt es eine andere Übersicht der Stärken vor und nach der Schlacht, aus der sich ergibt, wie sich die Verluste auf die 10 Kompanien des Regiments verteilen, wobei allerdings keine
differenzierten Angaben über die Art der Verluste vorhanden sind und nur durch die Differenz ein Ergebnis gebildet werden kann:
Kompanie | Sept. 1703 | Ende Nov. 1703 | Verluste |
---|---|---|---|
1. Leibkompanie (Gen.Maj. v. Trettau) | 79 | 57 | 22 |
2. Oberst-Kompanie (Oberst de la Roche) | 79 | 49 | 30 |
3. Oberslt.-Kompanie (Oberstlt. v. Lübken) | 83 | 56 | 27 |
4. Major-Kompanie (Major v. Hattenbach) | 78 | 53 | 25 |
5. Capitain Kompanie(Cpt. v. d. Malsburg) | 79 | 56 | 23 |
6. Capitain-Kompanie (Cpt. v. Kesselhuth) | 82 | 51 | 31 |
7. Capitain-Kompanie (Cpt v. Löwenstein) | 78 | 44 | 34 |
8.Capitain-Kompanie (Cpt. v. Eichstädt) | 72 | 47 | 25 |
9. Capitain-Kompanie (Cpt. v. Bodungen) | 81 | 54 | 27 |
10 Capitain-Lompanie (Cpt. v. Kühnheim) | 79 | 50 | 29 |
790 | 517 | 273 |
Viele der überlebenden Offiziere und Mannschaften waren verwundet, das Regiment hatte nur noch etwas mehr als Bataillonsstärke, blieb aber mit 10 Kompanien bestehen. Da auch der Regimentskommandeur im Gefecht gefallen war, bekam das Regiment noch 1703 einen neuen Kommandeur (siehe oben). 1704 macht das Regiment den Sturm auf den Schellenberg am 2. Juli mit, ist dann bei der Schlacht von Höchstädt/Blenheim am 13. August in Wilkes Brigade mit 400 Mann Soll-Stärke beteiligt und nimmt später noch an der erneuten Belagerung von Trarbach teil. Zum Winter 1704/1705 gibt eine Liste der Kompaniechefs folgende Namen an: Oberst de la Roche, Oberstleutnant v. Zollickhoffer, Major v. Kesselhut, Cpt. v. Bodungen, Cpt. v. Kunheimb (Künheim?), Cpt. Graf v. Lehndorf, Cpt. Koschkul, Cpt. Blarer, Cpt. Korff und Cpt. Chuno. Erneute Stärkeangaben sind nicht vorhanden. 1705 ist das Regiment in Flandern bei der Belagerung von Tirlemont (Tirlemont ist die französische Bezeichnung der Stadt Tienen). Die Winterquartiere 1705/06 werden an der unteren Mosel und am Rhein bezogen, im Dezember im Schwarzfelder Land (Bayerisch Schwaben). 1706 ist das Regiment in Oberitalien beim Gefecht von Castiglione (Mondovia) am 9. September und bei den Belagerungen von Pizzighettone und Cremona eingesetzt. Es ist hier Teil der Kaiserlichen Armee, die unter Befehl des Erbprinzen Friedrich von Hessen-Kassel steht. Seine Stärke wird mit 639 angegeben. 1707 ist es im Februar am Sturm auf die Zitadelle von Mailand beteiligt und später auch an den Belagerungen von Toulon (Juli/August) und Susa (August). 1708 wird nur noch 1 Bataillon erwähnt und dieses war nur im Einsatz bei der Belagerung von Lille. Die Belagerung dauerte vom 12. August bis zum 10. Dezember 1708. Lille war zu der Zeit die letzte große französische Festung im Norden Flanderns. Nach 120 Tagen musste der Kommandeur von Stadt und Festung Lille, Boufflers, sich den Truppen unter dem Herzog von Marlborough und Prinz Eugen von Savoyen ergeben. Infolge ihres tapferen Kampfes durften die letzten Franzosen in allen Ehren abziehen. 1709 gehen die Belagerungen durch die Alliierte Armee in Flandern weiter und wir sehen das Regiment bei Tournai (Juni bis Ende Juli) und Mons (25. September – 22. Oktober). Dazwischen liegt seine Teilnahme an der Schlacht von Malplaquet am 11. Sept. 1709. Diese Schlacht wird als die blutigste des Spanischen Erbfolgekrieges mit insgesamt rd. 36.000 Toten und Verwundeten bezeichnet. Das Regiment bezieht nach Ende des Feldzugs seine Winterquartiere 1709/1710 in der Heimat (Landgrafschaft Hessen-Kassel). 1710 steht das Regiment wieder im Feld und hat insgesamt 747 Mann einschl. Offiziere bei den Belagerungen von Douay (25. April-26. Juni) und Aire (11. Sept.-8. Nov.). Für 1710 gibt es wieder eine Aufstellung in Tabellenform für die Kompanien:
Kompanie | Chef | Leutnant |
---|---|---|
Leibkompanie | Brigadier de la Roche | CptLt. H. Föhne |
Oberstkompanie | Oberst J.G. von der Malsburg | A. von Lengefeld |
Oberstleutnantkompanie | Major von Munck | W. Schreiber |
Majorskompamie | Major von Mildenitz | F. R. Schäfer |
Capitainskompanie | Brigademajor Chuno* | von Beyer |
Capitainskompanie | Cpt. von Troschke ** | P. F. von Dernbach |
Capitainskompanie | Cpt. von Weyher | Speigelberg |
Capitainskompanie | Cpt. von Plessen | G. von Mansbach |
Capitainskompanie | Cpt. M. D. von Schlieben | G. von Mansbach |
Capitainskompanie | Cpt. C. von Krugh | L. von Witzleben |
* ab 29.7. Cpt. Schäfer; ** ab 11.4. Cpt. von Bretlack; *** ab 15.9. Cpt. Groseck
1711 ist das Regiment bei der Belagerung von Bouchain (9. Aug. bis 12. Sept.) unter Marlborough im Einsatz. Die Belagerung von Bouchain nach dem Durchbruch durch die französischen Linien von Ne Plus Ultra (5. August 1711) war der letzte große Sieg von John Churchill, 1. Herzog von Marlborough. Marlborough nahm Bouchain nach einer 34-tägigen Belagerung ein. Seine Eroberung hinterließ Cambrai als einzige Festung in französischer Hand zwischen der alliierten Armee und Paris. 1712 wird das Regiment letztmalig in diesem Krieg bei der Belagerung von Le Quesnoy (8. Juni bis 4. Juli) eingesetzt.
Uniformierung
1703 wurden Generalmajor v. Tettau von den Wollwebern aus Kassel für die 20 Kompanien der Regimenter Grenadiere und Garde zu Fuß insgesamt 8.000 Ellen blaues Tuch und 6.480 Ellen roter Boy in Rechnung gestellt. Damit ergibt sich eine Uniformierung mit blauen Röcken und rotem Futter neben der Garde auch für das Regiment Grenadiere. Weitere Angaben liegen nicht vor. Erst im Jahr 1710 und 1726 gibt es eine nähere Spezifizierung zu den Uniformen. 1726 wurden die Grenadiermützen allerdings nur noch zur Parade getragen. Danach haben 1726 Sergeant, Fourier und Unteroffiziere: Blaue Röcke mit roten Aufschlägen und Futter; weißmetallene Knöpfe; Weste und Hosen strohfarben (paille); Besatz von silberner Litze auf den Nähten; rote, weiß bordierte Grenadiermützen mit silbernem Gardestern wie 1710, aber nur zur Parade; sonst silbern tressierte Hüte; Trommler und Pfeifer: Besatz von Tambourborte (blau/weiß/rot gemustert) auf den Nähten von Rock und Weste, weiß bordierte Hüte, sonst einschl. Mützen wie vorstehend; Gefreite und Grenadiere: Besatz von weißer Borte auf Knopflöchern und äußeren Nähten des Rocks, sonst einschl. Mützen wie vorstehend. Offiziere haben 1710 nach Abbildung bei Hall silberne Knöpfe und Besatz von schmalen silbernen Tressen auf den vorderen Rocknähten und (beidseitig) an den Knopflöchern und Knöpfen des blauen Rocks, ebenso auf den Kanten und an den Knöpfen der roten Aufschläge, Offiziersschärpen rot/silbern. Offiziere tragen Offiziers-Grenadiermützten mit goldenem Gardestern und Granattaschen am silbern eingefassten roten Bandelier. Anfangs sollen die Offiziere noch Espontons getragen haben, auf der Abbildung von Robert Hall für 1710 hat der Offizier allerdings eine Bajonettflinte. Es ist nicht auszuschließen, dass die Offiziere auch schon früher im Spanischen Erbfolgekrieg Bajonettflinten bevorzugten, wie es bei den Grenadiereinheiten anderer Staaten üblich war.
Im Hessischen Militärmuseum in der Burg Friedrichstein in der Nähe von Bad Wildungen befinden sich Exponate einer Offiziers-Grenadiermütze und eines Offiziersbandeliers mit anhängender Offiziers-Granatentasche in reich ornamentierter Beutelform aus der Zeit von ca. 1710. Wegen ihrer Pracht gehörten sie sehr wahrscheinlich einem Offizier der Garde und waren wohl nicht für den Felddienst bestimmt. Die Mütze ist im „holländischen“ Stil gefertigt mit einer breiten Basis und einer niedrigen runden Krone, aber ohne Beutel. Innerhalb des goldenen Gardesterns auf dem Mützenschild ist der Hessische Löwe im blauen Feld von einem goldenen Band rundum eingefasst mit der Devise „PRO PATRIA ET LIBERTATE“. Die im Felddienst getragene Mütze wird wohl wesentlich schlichter gewesen sein. Eine Leibfahne des Regiments ist durch die „Triomphes“ überliefert, ob sie schon am Speyerbach durch die Franzosen erobert wurde, konnte ich nicht gesichert in Erfahrung bringen. Jedenfalls wird sie wie folgt beschrieben: Auf dem weißen Blatt ist im Zentrum der römische Gott Mars abgebildet, sitzend auf Trophäen und mit der rechten Hand das Wappen der Landgrafschaft Hessen-Kassel haltend, mit der linken Hand ein senkrecht aufgerichtetes Schwert. Auf dem blauen Schriftband steht die lateinische Devise „Hassorum Gloria“, was man wörtlich mit „der Hessen Ruhm“ übersetzen kann. Diese Fahne ist auch bei Robert Hall abgebildet. In einer Fußnote zu seiner Abbildung räumt Robert Hall ein, dass die „Triomphes“ den Thron, auf dem der Gott sitzt, nicht abbilden. Es seien aber auf Grenadiermützen und anderer Militaria der Zeit häufig Variationen dieser bildlichen Allegorie mit Thron abgebildet, so dass er dies bei seiner Interpretation des Fahnenbildes als typisch gewählt habe.
Zu meinen Zinnfiguren
Zinnflachfiguren der 30mm-Größe als Grenadiere mit textilen Beutelmützen um 1700 gibt es von etlichen Herausgebern, z. B. von den Offizinen Schum (ehem. Wagner), Kieler Zinnfiguren (ehem. Ochel), Wilken (ehem. Golberg, Kühn über Sauter) und Zinnfiguren Fleesensee. Hierbei sind die Figuren in vielfältigen Haltungen vorhanden und damit auch nach eigenen Vorstellungen kombinierbar.
Diese 25 Figuren habe ich bemalt antiquarisch erworben und werde die Strumpffarbe nur beim Fähnrich und dem Offizier z. F. weiß anpassen, da Offiziere im frühen 18. Jahrhundert zu Fuß generell weiße Strümpfe trugen.
Die übrige Farbgebung, insbesondere der Westen und Strümpfe in rot, könnte für 1703 durchaus möglich gewesen sein und mir liegen auch keine Angaben hinsichtlich der Farbe dieser Bekleidungsstücke zu dieser Zeit vor, so dass ich diese für 1703/04 ändern müsste. Dies gilt auch für den Trommler im roten Rock, da um 1700 farblich abweichende Röcke für Trommler und Pfeifer noch üblich waren und durch den Regimentschef bestimmt wurden. Schuhe in braun halte ich 1703 dagegen für zeitlich überholt und werde sie bei allen Figuren schwarz färben. Auch den gestickten Gardestern auf dem Mützenschild will ich zumindest andeuten. Die Figuren sind – bis auf den Fähnrich – Typen von Wagner und heute bei der Offizin Schum erhältlich. Die Zeichnungen stammen von H. Nesselberger, die Gravuren von H. Lecke. Eine Type, die ebenfalls im Fußbrett mit „Wagner“ gekennzeichnet ist, sucht man im Katalog bei Schum vergeblich. Es handelt sich um den vorlaufenden Grenadier mit dem zusätzlichen Grasbüschel am Fußbrett. Wo diese Form heute ist, oder ob sie evtl. nicht mehr abgegossen werden kann, weiß ich nicht. Eine fast identische Type, allerdings mit Feldsteinen statt des Grasbüschels, findet sich im Katalog bei Schum.
Nicht nur vorgehend bzw. im Angriff sind die Grenadiere in meiner Zusammenstellung enthalten, sondern auch haltend im Feuergefecht, so dass man sie in einer Aufstellung verschieden positionieren kann.
Weitere Figuren sind meine kurpfälzischen Garde-Grenadiere, von denen ein Bataillon ebenfalls 1703 im Gefecht am Speyerbach gekämpft hat. Diese sind Typen von Wilken (ehem. Golberg).
G. Stenvers
Quellen:
Robert Hall, „Uniforms and Flags of the Army of Hesse-Kassel under Landgrave Carl 1670 – 1730”, First Edition in 2006 (Englischer Text),
Rudolf Witzel, „Hessen Kassels Regimenter in der Alliierten Armee 1762”, Norderstedt 2007,
Seite „Spanischer Erbfolgekrieg“. In: Wikipedia– Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Februar 2022, 19:54 UTC,
Seite „Schlacht am Speyerbach“. In: Wikipedia– Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. Januar 2021, 16:17 UTC.