Verzinnerte Märchen… ein Kurzbeitrag

Dr. Egon Krannich ist vielen Zinnfigurikern mit Sicherheit als Herausgeber einer großen Reihe zinnfigürlicher Fachbücher bekannt. Er ist aber auch als Zinnfigurengraveur tätig.

In seiner zinnfigürlichen Graveurstätigkeit ist besonders seine Freude an den Märchen des Dänen Hans Christian Andersen (1805-1875) zu erkennen. Man lese dazu seinen Artikel H.C. Andersen und Æerø – ein Wintermärchen in Die Zinnfigur, Jahrgang 2021, Doppelheft 2+3, S. 50.ff.

Der Autor dieser Zeilen erdreistet sich hierzu eine kleine Ergänzung, indem er eine weitere, nicht im o.g. Artikel angesprochene Märchenfigur von Dr. Krannich vorstellt.

Es handelt sich um eine zinnerne Verbildlichung (einseitig) des Andersen-Märchens Die Blumen der Kleinen Ida, eines von Andersens frühen, 1835 erschienenen Werken.

Den lille Idas Blomster

Nun zeigt die Figur aber nicht die kleine Ida, wie sie mit den Blumen tanzt – was der Autor dieser Zeilen irrigerweise zunächst annahm – sondern die Puppe Sophie. Mit dem Tanz bedanken sich die Blumen dafür, daß Sophie ihnen ihr Puppenbett zur Verfügung gestellt hat und sich selber nun in eine harte Holzschublade bettet. Diese Belehrung des Autors kam beim Lesen des Märchens[1]. Lebenslanges Lernen halt. Der Hintergrund für die Figur muß natürlich ein anderer sein als der vom Autor gewählte. Wer nun den inhaltlich richtigen Hintergrund herausfinden möchte, möge einfach mal das Märchen lesen …

Vorlage für Dr. Krannichs Figur ist eine Zeichnung des dänischen Illustrators, Malers und Zeichners Hans Tegner (1853-1932). Er illustrierte u.a. eine dänische Andersen Märchensammlung, die 1909 in deutscher Übersetzung in 2. Auflage erschien. Darin[2]  findet sich dann auch die Vorlage zur Figur.

Aus Andersens Märchen [2]
Was macht nun das besondere dieser Figur für den Zinnfiguriker aus?  Aus Sicht des Autors ist es die Möglichkeit, bei den Märchenblumen in den verschiedensten Farben regelrecht zu schwelgen und der Farbphantasie freien Lauf zu lassen. Kein Bleckwenn, kein Knötel, kein Coppens und auch kein Menzel, kein Leliepvre nicht und auch kein Dr. Bunde, dem es bei der Bemalung zu folgen gilt. Natürlich hat man auch bei zivilen Zinnfiguren so seine Freiheit … aber nicht in dem Maße, wie bei dieser Figur. Eine schöne Erfahrung.

Ach ja … wie kam der Autor denn auf die Idee, sich diese märchenhafte Märchenfigur bemalend vorzunehmen und die Bemalung von befreiungskriegenden Ulanen des Brandenburgischen Ulanenregiments Nr. 3 sowie von Marschall Blücher zu Pferde die Pfeife schwenkend schnöde zu unterbrechen ? Nun, wenn man einen Enkelkrümel hat, der Ida heißt, in Dänemark lebt und deren Geburtstag bevorsteht, ist es für den Zinnfigurenopa nur ein kurzer Schritt zum entsprechenden Kauf- und Bemalungsentschluß. Die Zinnfigur hat der Autor im Übrigen bezogen von Bernhard Bakat (Zinnfiguren aus Eschwege)[3].

Na ja … die Brandenburger Ulanen[4] sind dann doch noch fertig geworden und Blücher[5] kann sein Pfeifchen schmauchen. Obwohl sich der Autor als Pfeifenraucher fragt, wie der alte Herr auf dem Pferderücken denn seine ziemlich groß dimensionierte Keramikpfeife eigentlich genüsslich rauchen kann …

Brandenburger Ulanen

Die Brandenburger Ulanen waren im Übrigen als Teil des Yorck’schen Korps am Rheinübergang bei Kaub am 1./2. Januar 1814 dabei. Gegen 10.00 Uhr am 2. Januar überquerten sie den Fluss im Rahmen des Avantgarde-Hauptkorps auf der gerade mal eine Stunde vorher zum linken Ufer fertiggestellten Pontonbrücke[6]. Man kann sich gut vorstellen, dass hier im Bild (unter Vorstellung eines passenden Bildhintergrundes wie z.B. des Rheintales südlich Kaub[7]) der greise Marschall (er wurde am 19.12.1742 geboren) der Spitze der ersten Eskadron der Brandenburger Ulanen kurz vor 10:00 Uhr zuruft „Nun macht mal rüber, Jungs! Trompeter … Signal Im Schritt – Marsch“

Detailausschnitt

Komisch … wie kam ich eigentlich von der kleinen Ida und Herrn Andersen nach Kaub am Rhein … ?

Text/Fotos: Frank A. Richter

[1] https://www.projekt-gutenberg.org/andersen/maer-03/chap039.html

[2] »Andersens Märchen« , Aus dem Dänischen übersetzt von Pauline Klaiber , mit 44 Vollbildern und 167 Abbildungen im Text nach Zeichnungen von Professor Hans Tegner Kopenhagen,  2. Auflage , 1909 , Paul Neff Verlag, Esslingen/Neckar)

[3] https://inzinn.de/00192.html

[4] Figuren herausgegeben von Siegbert Wagner, Gravur Hans Lecke, Zeichner dem Autor  nicht bekannt

[5] Figur, herausgegeben von Alexander Wilken nach Übernahme von Historia Müller, Zeichner Karl Heinrichs, Gravur Karl-Werner Rieger (gehört zur Serie „Preußen Landwehr  1813-1815“)

[6] Siehe Dreier, Bruno „Mit Blücher bei Kaub über den Rhein“, 2016, Seite 86

[7] der Autor ist leider noch nicht in die wunderschöne Welt des gepflegten Zinnfigurendioramas eingestiegen …   insofern muss er an die Bildphantasiefähigkeit des Lesers appellieren