Die “Raubritter”

Der Raubgraf vob Bergedorf Sammlung R. Ehlers Maaßen

Beim Anblick der eindrucksvollen Zinnfigurenserie „Raubritterüberfall“ von Franz Karl Mohr stellt sich dem ambitionierten Sammler auch die Frage nach dem geschichtlichen Hintergrund des sogenannten „Raubrittertums“ seit Mitte des 13. Jahrhunderts. Hierzu erfährt er, dass der Begriff des „Raubritters“ und demzufolge auch des „Raubrittertums“ nicht aus dem Mittelalter selbst, sondern wesentlich später erst aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammt.
Die neuzeitliche Auffassung und Interpretation als „räuberische“ Taten des niederen Ritteradels wird der damaligen Rechtsauffassung des Mittelalters nicht gerecht. Das Austragen von Fehden ist bis zum Landfrieden von 1495 stets Teil des ritterlichen Lebens gewesen und wurde der freien und waffen-berechtigten Bevölkerung in großen Teilen des mittelalterlichen Europas sogar lange Zeit rechtlich zugesichert. Das Gewaltmonopol des Staates und eine rechtsstaatliche Regelung der Beziehungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit im heutigen Sinne kannte das Mittelalter nicht. Recht wurde deshalb als Anspruch und konkreter Besitz verstanden, den man selbst, wenn notwendig mit Gewalt verteidigen und bewahren musste.

Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der zum Vasallendienst verpflichteten Lehnsnehmer erheblich, da sie im Kriegsdienst zunehmend durch „Reisläufer“ aus der Schweiz und andere fremde Söldner ersetzt wurden. Die Folge war eine Einschränkung der Lebensgrundlagen des niederen Adels, denn Sold und Beute waren nun nicht mehr ein wesentlicher Bestandteil ihres Einkommens. Auch die Wandlung der bisherigen Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft verschärfte das Problem erheblich. Gleichzeitig führte die Zunahme der städtischen Bevölkerung sowohl zum Aufschwung des Handels als auch zu steigendem Wohlstand der Städte und deren Kaufleute. Nicht zuletzt führte auch die wachsende Macht der Hanse mit ihrem weit verzweigten Netz der Hansestädte zum Konflikt mit den neu gegründeten Adelsgesellschaften, die u. a. eine städtefeindliche Politik betrieben. Eine Möglichkeit der Abhilfe sah der Adel darin, seine Aufgaben im Rahmen der landesfürstlichen Zollerhebung weiter auszulegen als bisher, indem er die Zölle erhöhte oder bislang zollfreie Strecken zu Land und zu Wasser zollpflichtig machte. Burgen, von denen aus ggf. durch Gewalt Zölle erhoben wurden, die die Städte als unrechtmäßig betrachteten, bezeichnete man dort als „Raubhäuser“. Weil die Pfändung und Beschlagnahme von Kaufmannsgut aufgrund unberechtigter oder zumindest umstrittener Zollschranken als Verletzung des Landfriedens galt, kam es häufig zu Strafmaßnahmen durch Landfriedensbündnisse, die sich gegen die Burgen der Zollherren richteten.

Belagerung der Burg Uznaberg des Grafen von Toggenburg durch die Zürcher Truppen 1268
(Abb.: Stich aus dem Neujahrsblatt 1718 der Bürgerbibliothek Zürich)

Die „Raubhäuser“ wurden belagert, erobert und danach auch oft geschleift. Diese Konflikte beruhten auf gegensätzlichen Rechtsauffassungen, daher ist der Begriff des „Raubritters“ hier in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt. In der Regel beriefen sich die Adligen bei Beschlagnahmen auf Zollrechte sowie das „Recht des freien Niederwurfs“. Zur Darstellung dieser Konflikte in Zinnfiguren ist insbesondere die Serie „Der Raubgraf von Bergedorf“ der ehemaligen Offizin Golberg geeignet, die heute bei der Offizin W. Dangelmaier erhältlich ist.

Ein Teil der Zinnfiguren aus der Serie „Der Raubgraf von Bergedorf“
(Abb.: Ein verkleinerter Ausschnitt aus dem Katalog der ehem. Offizin Golberg, Archiv des Verfassers)

Hiervon zu unterscheiden ist der im Mittelalter verwendete Begriff „Plackerer“ für einen Adligen, der mit seinen Reisigen und Waffenknechten Händler mit ihren Wagenzügen oder sogar Städte überraschend ohne Vorwarnung (Fehdebrief) angriff und zwecks eigener Bereicherung ausraubte, damit also ein Verbrechen verübte, welches damals als „Plackerei“ bezeichnet wurde.

Raubritter Schüttensamen wird gefangen nach Nürnberg gebracht“
(Abb. aus „Die Gartenlaube“, 1887)

„Wegelagerer“ und „Strauchritter“ sind ähnlich gelagerte Bezeichnungen für verarmte Ritter, die vom Straßenraub lebten und sich vor dem Überfall hinter Sträuchern und Gebüsch verbargen. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls der Begriff „Raubritter“ populär verwendet, sollte aber auch hier nach neuerer Forschung in wissenschaftlichen Ausführungen vermieden werden.

Aus der Serie „Raubritterüberfall“ von F. K. Mohr
(Abb.: Aufstellung mit Zinnfiguren aus der Sammlung des Verfassers)

Gerriet Stenvers Quellen: – Kurt Andermann, Raubritter, publiziert am 09.05.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Raubritter> (7.03.2019), – Artikel „Raubritter“, freie Enzyklopädie Wikipedia im Internet, – Artikel „Ruine Uznaberg“, dto. – Artikel „Söldner“, dto. – Artikel „Fehde“, dto.